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Der stille Brüter - Das Mark Knopfler Interview
Und es begab sich zu jener Zeit, dass ein ehemaliger Journalist, der schon
stramm auf die 30 Jahre marschierte, von Newcastle nach London kam und eine
kleine Band zusammenstellte. Er hatte ein paar Songs im Handgepäck und konnte
obendrein recht ansehnlich Gitarre spielen. Und die Band nannte sich Dire
Straits, ein Name, der nett und harmlos klang in einer Zeit, da die Clash, Sex
Pistols oder Damned Hochkonjunktur verzeichneten. Und die Gruppe veröffentlichte
eine Latte mit lauter Songs, die versuchten die Straßen Londons romantisch zu
verklären so, wie etwa Bruce Springsteen oder Garland Jeffreys die Straßen von
New York romantisieren. „Walking In The Wild West End" ... wer jemals in London
gelebt hat konnte das nicht allzu ernst nehmen, denn das West End ist nichts
anderes als eine Aneinanderreihung von Kaufhäusern wie C & A, Tesco und
Sainsbury. Wild wurde es allenfalls dann, wenn die IRA einmal pro
Jahr Bomben warf. Viele von uns glaubten damals, dass mit den Dire Straits kein
kommerzieller Blumentopf zu gewinnen sei. Ihre Musik schien allzu leicht
konsumierbar, und ebenso deutlich konnte man die vorhandenen Einflüsse abhaken:
Klar, Dylan ..., Springsteen ... JJ. Cale ... und Spuren von Clapton Albert
King, Richard Thompson, Django Reinhardt, was den Gitarren-Stil betrifft.
Mensch, viel zu zusammengewürfelt - das war die übereinstimmende Meinung. Das
Ergebnis: Phonogram konnte gar nicht so schnell Vinyl pressen, wie die LP
verlangt wurde. Und ganz beiläufig äußerte Mark Knopfler dann in einem
Musik-Magazin, dass er nichts dagegen hätte, auch mal 'ne Platte mit Bob Dylan
oder Van Morrison zu machen. Kaum wird man wieder wach, hat er es tatsächlich
schon gemacht. Die Umsätze von Dire-Straits-Platten sind heute größer als je
zuvor. Die neue LP LOVE OVER GOLD steht zurzeit auf Platz eins in 12 Ländern.
Ich befinde mich in der Bar des Münchener Hilton-Hotels mit Mark Knopfler und
versuche, diesem freundlichen, aber sehr... wie soll ich sagen... sehr
zurückhaltenden Menschen ein Interview abzuringen. Die meisten seiner Antworten
kommen nur über sich windende Umwege und werden samt und sonders mühsam
hervorgemurmelt.
Ich bemühe mich, die Konversation ein wenig
aufzupeppen. Hast du nie das Gefühl gehabt, dass dir alles zu mühelos in den
Schoß fällt? Erfolg quasi im Vorübergehen? Wachst du niemals morgens auf und
denkst 'Verdammte Scheiße, ich hab's gepackt. Habe alles gepackt. Durchbruch
rundum!"
Er lacht. Ein sehr verhaltenes Lachen allerdings, das erst langsam seinen ganzen
Körper erfasst. Drei, viermal bricht dieses Lachen heraus, er versucht dann zu
antworten, hält aber wieder inne und versteckt sich hinter einer verschämten
Bescheidenheit.
Alles geschafft? Nein, nein. (Wieder zögerndes Lachen). Nichts läge ferner als
das. Warum denn auch, er sei schließlich ein blutiger Anfänger, Student, ein
Typ, der gerade erst Gitarre lerne, dem sich mit jedem neu erlernten Akkord
zugleich neue Welten eröffneten. Er hoffe, auch als Sechzigjähriger noch
dazuzulernen, denn genau darum gehe es in der Musik. Wer ernsthaft bei der Sache
sei, der würde sowieso ewig lernen.
Aber ich fühle mich... stark", entscheidet er sich letztendlich. .Ich glaube
nicht, dass ich jemals glücklicher gewesen bin. Die Band ist in prächtiger
Verfassung. Und ich liebe den Erfolg... er gibt mir das Gefühl der Entschädigung
für all das Blut, den Schweiß und die Tränen, die bisher in die Arbeit
investiert wurden. Ja, es ist großartig. Auch die Unabhängigkeit ... schlicht,
frei zu sein. Machen zu können, was einem gefällt und dafür auch noch bezahlt zu
werden, ohne dass jemand dazwischenredet, ohne irgendwelche Vorschriften. Ich
bin glücklich." Aber versuchst du gar nicht herauszufinden, warum gerade du der
Glückspik bist?". Nein, eigentlich nicht. Ich meine, einer der positiven Effekte
von Interviews ist die Tatsache, dass, indem du Dinge laut aussprichst, zugleich
Klarheit in deine Gedanken kommt. Ich glaube, es ist wichtig, dass ich mich
nicht von den Leuten in
meinem Publikum unterscheide. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sie
eben nicht die Gabe besitzen, ihre Erfahrungen auszudrücken.
Was wir machen, regt Empfindungen an und stumpft sie nicht ab. Dauernd kommen
Leute zu mir und... entweder sie fragen nach Postern, Aufklebern oder T-Shirts,
oder aber sie erzählen mir, das Konzert habe ihnen wieder Mut gemacht.
Vielleicht waren sie bedrückt, als sie kamen, verzweifelt aufgrund irgendwelcher
Probleme - und haben nach dem Konzert wieder Optimismus verspürt.
Und so was berührt mich tat sächlich, das ist das wichtigste Element der ganzen
Übung. Es macht mir bewusst, dass dieser Job halt doch nicht ohne Wirkung ist,
dass es sich nicht nur um reinen Egoismus handelt".
Einige Minuten lang schweigt er dann:aber du musst auch Ehrgeiz besitzen. Du
brauchst ein bestimmtes Maß an Willen, damit überhaupt etwas ins Rollen kommt.
Du musst deine Sache mit Nachdruck verfolgen und musst glauben, was du tust und
musst gut vorbereitet sein, wenn du an die Öffentlichkeit trittst. Besonders
dann, wenn du wirklich stolz bist auf dein Album, deine Band, deine Musik. Eine
Menge großartiger Musiker hingegen ...du erwähntest gerade eben Richard
Thompson...
neigen zu jener Haltung 'Also, Leute, das war's, hier ist mein Kunstwerk, nehmt
es oder läßt's bleiben'. Bei uns jedoch ist es anders. Als Dire Straits
begannen, waren wir lest entschlossen: Wir organisierten unsere eigenen Gigs,
wir druckten die Tickets, fuhren mit einem klapprigen Auto umher, um die
Ausrüstung heranzuschaffen... es war ein ganzer Ablauf konkreter Vorstellungen,
wir haben all das forciert. Wir nahmen ein Demo-Tape auf und ich dachte 'Mensch,
ich habe keinen Bock, dieses Band jedem A&R-Mann in London zu schicken, weil es
dann garantiert in einem Berg von 15 Kassetten landet, die so ein Typ ablaufen
lässt, während er frühmorgens die Musikzeitschriften durchblättert.
Also hob' ich das Band zu Charlie Gillett gebracht, der die 'Honky-Tonk'-Sendung
für Radio London machte. Ich wollte seine Meinung hören und ihn fragen, wer wohl
der Interessierteste A & B-Mann sein könnte. Aber stattdessen spielte er selbst
die Kassette im Radio! Und sofort marschierten die Leute von den Platten/innen
in Scharen zu unseren Gigs in irgendwelchen Kneipen. Kurz: Wir haben nicht
darauf gewartet, dass die Welt zu uns kommt." Ich möchte wissen, inwieweit der
Erfolg Knopflers Leben verändert hat. Lebt er heute das Leben eines Millionärs?
Er macht eine Pause, um an seiner Kleidung herabzubücken. .Ich besaß dieses Hemd
schon, bevor wir überhaupt anfingen’, lacht er. Es ist ein durchgescheuertes
Baumwollhemd - Ro-ry Gallagher wäre stolz drauf.
Aber klar, ich gebe auch gern Geld aus. Ich mag schöne Dinge - wer tut das
nicht? Ich habe zwei Wohnungen, ich lebe abwechselnd in London und in New
York... meine Freundin kommt nämlich aus New York. Aber davon abgesehen... ich
war 28, als wir unseren ersten Hit landeten, und in diesem Alter ist deine
Persönlichkeit schon relativ gefestigt. Wenn die ganze Lawine über uns
hereingebrochen wäre, als wir 18 waren ... ich glaubte nicht, dass ich es
verkraftet hätte, ich hätte nicht die Substanz gehabt. Ein Beispiel: Ungefähr in
der Mitte der Aufnahmen für die zweite LP waren wir wirklich grau
vor lauter Überarbeitung... aber wir haben uns durchgebissen." Das Leben in New
York hat Knopfler mit einer völlig neuen Musiker-Szene konfrontiert. Er ist
stolz, dass er auf dem neuen Album des Jazz-Vibraphonisten Mike Manien
mitspielen wird und glaubt, dass ihm diese Erfahrung auch neue Wege als
Songschreiber öffnen wird. .In dieser Hinsicht sind Songschreiber verdammt
opportunistisch. Wir saugen jede neue Information begierig auf und verarbeiten
sie so schnell wie möglich."
Marueris Sorte Jazz gehört freilich in die eher konservative
Abteilung-Mainstream" könnte man sagen. Knopfler selbst hat in der Tat auch
diverse Vorbehalte, wenn es um experimentellere und risikofreudigere Musik geht.
Ich habe eine große Vorliebe für Weather Report. Aber manchmal gehst du los, um
ein bisschen Avantgarde-Jazz zu hören und dann hat der Drummer ein Medaillon um
den Hals baumeln, trägt ein rotes Plastik-Jackett und eine Digital-Uhr. Und hält
sich womöglich noch für einen begnadeten Techniker.
Und ich bin nicht besonders scharf darauf, mich mit so einem Typen auf der
Straße zu unterhalten, ich will seine Ansichten gar nicht erst erfahren. Ich
hob' nicht mal Interesse an seinem Schlagzeug-Solo. Meines Erachtens eine etwas
wundersame Logik, aber Knopfler drückt noch mehr auf die Tube. .Ich bin nicht
die Bohne interessiert an der Demonstration technischer Virtuosität. Ich höre
lieber Muddy Waters. Meine Lieblingsmusik stammt nicht von atemberaubenden
Technikern. Ich mag Chuck Berry'. Seit den Aufnahmen zu LOVEOVER GOLD hat sich
Knopfler keine Pause
gegönnt. Er hat Sessions für Phil Everly und Phil Lynott gespielt und den
Soundtrack für einen Film mit dem Titel „Local Hero" geschrieben. Das hat Spaß
gemacht. Ich musste in so vielen unterschiedlichen Stilrichtungen schreiben. Da
gibt's eine Disco-Nummer, bei der sich uns alles zusammenzieht, wenn wir sie
hören -und es gibt sogar Muzak, die einen wirklich krank macht". Mark scheint
sehr befriedigt zu sein. Außerdem mussten Ehre
Straits umbesetzt werden, da der langjährige Drummer Pick Withers nach Wales zu
Frau und Baby zurückkehrte. (Offenbar hat Withers die Trommelei ganz aufgegeben
und lernt jetzt Vibraphon und Klavier.) Sein Ersatz: Terry Williams von Rockpile.
Eine neue EP ist angekündigt, mit alten Rock'n'Roll- und Twist-Nummern, eine
Fortsetzung jener humorvollen Stimmung, die schon auf der BSeite von .Private
Investigations", einem Stück namens .Badges Posters Stickers T-Shirts", deutlich
wurde. Für meinen bescheidenen Geschmack ist dieser kleine Song bei weitem das
Beste, was die Dire Straits jemals produziert haben um Klassen besser als die
groß angelegten Kompositionen wie
Telegraph Road" und andere - wie ich finde ausufernde Knopfler-Epen.
Als Text verwendet Mark wörtlich all die kleinen Banalitäten, mit denen Fans
ihren Stars nach einem Konzert auflauern: .Mein Kumpel ist genauso gut am
Schlagzeug wie der da", .Scheiß Krach, meine Birne dröhnt... haste irgendwelche
Badges, Poster, T-Shirts?", und so weiter. Sind das nun liebenswürdige
Anspielungen oder der verärgerte Kommentar eines Musikers, dem solche
Kommunikation auf niedrigem Niveau allmählich zum Halse heraushängen? Oh, nein,
das ist eindeutig positiv gemeint. Mit das Beste in unserem Geschäft ist es ja,
diese Kids zu treffen; das gehört zu den erfreulichen Aspekten des ständigen
Tourens. Meine Songs reflektieren nun einmal meine Liebe den Menschen gegenüber.
Abwertend ist es defi nitiv nicht!"
Er ist geradezu bestürzt darüber, dass ich den Song falsch verstehen könnte.
Also frage ich ihn, den ehemaligen Journalisten, welche Gefühle ihn
beschleichen, wenn er sieht, wie die Musik-Presse ihn darstellt.
„Ganz einfach, ich lese keine Musik-Blätter. Höchstens, wenn ich irgendeine
Session spiele und da liegt zufällig ein 'Melody Maker' rum, dann schau' ich
vielleicht mal kurz rein und lese eine LPBesprechung.
Meistens ist's zum Lachen, und jedermann amüsiert sich über den Typ, der das
geschrieben hat. Manchmal tun mir die Schreiber geradezu leid. Da gab's irgendwo
eine Rezension unserer letzten LP - und der Verfasser ritt auf irgendwas wie 'money
making money' herum. Ich hatte plötzlich Mitleid mit ihm. Ich dachte, Wie
traurig, mit Musik zu tun zuhaben und nur deshalb genervt zu sein, weil jemand
mehr Geld verdient als er selbst. Ich empfand dass schon als tragisch ...,
dieser Mensch hat ein Problem.
Aber ich bin zu stark und gefestigt, um mich von solchen Sachen anmachen zu
lassen. Nein, ich verschwende keine Zeit, um über die Musik-Presse zu grübeln.
Aber ich möchte dennoch festhalten, dass der Arbeit an sich noch immer nicht
genügend Aufmerksamkeit gewidmet wird, der Musik... und dass viel zu viel
Aufmerksamkeit der Verpackung und der Präsentation zukommt".
Ich erinnere ihn an seine eigenen Kommentare einige Minuten zuvor hinsichtlich
des Jazz-Drummers mit dem Plastik-Jackett und der Digital-Uhr. Er lacht
herzlich.
Ja, du host's erfasst (Lachen)... Genau diese Art von Beobachtung... genau das
ist falsch an der Musik-Kritik! Aber ernsthaft, dieses Schlagzeug-Solo war
einfach katastrophal! Klang wie 'ne Ladung Mülltonnen, die man die Treppe
hinunterkippt'.
© Musikexpress / Steve Lake
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